Frei finanziertes Erfolgsrezept

Die KlassikPhilharmonie Hamburg unter Robert Stehli eröffnet im Oktober ihre 30. Spielzeit mit einem Festkonzert
Der 28. Juni 1978 war für alle Anwesenden in der kleinen Musikhalle ein aufregender Abend: Für das Hamburger Mozart-Orchester und den Leiter und Initiator Robert Stehli, weil sie eine Orchestergründung wagten und für die Zuschauer, weil sie die musikalische Geburtsstunde eines neuen Kammerorchsters in der Hansestadt erlebten.

Als Orchesterleiter und -gründer zeigte Stehli schon 1957 mit seinem Bach-Orchester, wie man in kurzer Zeit mit einem jungen Ensemble beeindruckende Leistungen erzielen kann. 1960 stimmte er einer Orchesterfusion zum VHO (Vereinigte Hamburger Orchester) zu, den heutigen Hamburger Symphonikern. Neben Gabor Ötvös leitete er deren musikalische Geschicke zwei Jahre lang, bis neue Engagements den gebürtigen Züricher für viele Jahre aus Hamburg lockten.

Bei seiner Rückkehr in die Hansestadt Anfang der Siebziger Jahre spürte der Dirigent zielsicher eine Lücke im Hamburger Musikleben auf: Es fehlte ein professionelles Kammerorchester. Flugs sammelte er 20 handverlesene Musiker um sich und formierte das Hamburger Mozart-Orchester. 2001 entschloss man sich, mit der Umbenennung zur "KlassikPhilharmonie" der musikalischen Realität gerecht zu werden, denn aus dem "erweiterten Kammerorchester" ist in den Jahren eine Kammerphilharmonie gewachsen.

Ein Klangkörper allein ist jedoch noch kein Garant für volle Konzerte. Um eine breite Publikumsschicht an die klassische Musik heranzuführen und zu begeistern, entwickelte Robert Stehli eine Programmkonzeption, die den Zuhörer "mit den Highlights aus dem klassischen Repertoire auf musikalisch hohem Niveau" unterhalten soll. Getreu Stehlis Vorsatz, den Menschen mit der Musik Freude zu machen, findet man auf dem Konzertprogramm einen gefälligen Mix aus klassischen und romantischen Werken. Der Erfolg zeigt sich in den Abonnentenzahlen: Mit mehr als 1000 Abonnenten pro Saison braucht sich die Konzertreihe im Vergleich nicht zu verstecken.

Der Programmablauf eines Konzertabends der KlassikPhilharmonie ist "klassisch": Im zweiten Teil wird ein großes sinfonisches Werk gespielt, im Mittelpunkt der ersten Hälfte steht ein Solistenkonzert. Dafür engagiert Stehli hoffnungsvolle junge Nachwuchsmusiker. Treue Konzertgänger haben in den Jahren viele Debüts von jungen Künstlern miterlebt, die heute internationale Stars sind, wie z. B. der Pianist Dmitri Sgouros und die Geigerinnen Julia Fischer und Baiba Skride.
Mit der Einführung der "Last Night of the Proms"-Konzerte hat Robert Stehli die "Hemmschwelle" zum Besuch eines klassischen Konzertes komplett beseitigt. Jedes Jahr bereiten die beiden Veranstaltungen den Besuchern in der ausverkauften Laeiszhalle einen großen Spaß, denn bei den völlig unkonventionellen Konzerten können die Zuschauer im letzten Teil Fähnchen schwingend und pfeifend das Orchester begleiten. Spätestens beim gemeinsam gesungenen "Land of Hope and Glory" hält es dann auch den reserviertesten Hanseaten nicht mehr auf seinem Sitzplatz.

Beziehungen zwischen Orchester und Dirigent pendeln nach Stehlis Erfahrungsschatz immer zwischen den Extremen Feindschaft und Freundschaft. Stehli hat sich für Letzteres entschieden und pflegt mit allen Orchestermitgliedern gute persönliche Beziehungen. Das zeigt die geringe Fluktuation und die langjährige Mitgliedschaft einzelner Musiker im Orchester. Dienstältestes Orchestermitglied ist der Hornist Hartmut Jablonski, der eigentlich als Geiger begann und später sein Instrument wechselte. Oder die Konzertmeisterin Anna Preyss-Bator, die vier Jahre nach Gründung in das Orchester eintrat und bis heute mit der KlassikPhilharmonie eng verbunden ist.

Trotz des breiten Erfolgs ist die Finanzlage des Ensembles gespannt. Eintrittsgelder, vereinzeltes Sponsoring und die finanzielle Unterstützung des Fördervereins reichen knapp für den Fortbestand aus, eine Grundfinanzierung durch den Hamburger Senat ist auch im Jubiläumsjahr nicht zu erwarten. Überleben kann das Orchester durch Robert Stehlis kostensparende Doppelfunktion als Manager und Dirigent und der Bereitschaft der Musiker, für ein kleines Salär zu spielen. Das Ensemble blickt aber dennoch zuversichtlich in die Zukunft. Vielleicht findet sich mit diesem gesunden Optimismus ein Sponsor für ein Sonderkonzert in der nächsten Saison, denn ein großes Werk hat Robert Stehli in seinen 51 Dirigierjahren noch nicht dirigiert: Beethovens Neunte Sinfonie. Wir drücken die Daumen!



Concerti, Ausgabe Oktober 2008
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